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15.04.2008

Verbuddelt für Hochgeschwindigkeits-Trasse

Überschüttungsbauwerke bei Cognières (F)

TTR-Rundschalung und RASTER-Universalschalung für Tunnelbauwerke

Europa rückt zusammen entlang der großen Verkehrswegebauten. Der von der EU zu etwa 10 % mitfinanzierte Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecken des Eisenbahnnetzes zeigt vor allem im ländlichen Frankreich, was der Stand der Technik ist. Die im Rahmen des über drei Milliarden Euro kostenden Großprojektes »LGV Est-européennes« errichteten Neubauten für die 300 km der Lignes Grande Vitesse (Hochgeschwindigkeitsfahrbahnen) sind für Spitzengeschwindigkeiten des TGV bis zu 350 km/h ausgelegt. Sie verbinden Paris mit Ostfrankreich und deutschen Städten; mittlerweile pendeln TGV und ICE beispielsweise zwischen Paris und Stuttgart.
Von Anfang an wurden die umweltpolitischen Belange des Projekts mit einbezogen. Die Streckenführung verläuft daher möglichst weit von Wohngebieten entfernt, vermeidet empfindliche Biotope, lässt kulturelle Reichtümer unberührt und fügt sich harmonisch in das Landschaftsbild ein.


Die radienverstellbare Trapezträger-Rundschalung liegt auf einem fahrbaren GASS-Gestell.

Cognières (Haute Saône, Ostfrankreich)

Die neue Hochgeschwindigkeitstrasse LGV durchquert, von Dijon kommend, die sehr ländliche Haute Saône (Département Nr. 70, Franche Comté, südlich von Elsass-Lothringen). Die durch den Hochgeschwindigkeitszug TGV vorgegebenen maximalen Krümmungen und Steigungen sowie die lokalen geologischen und geografischen Verhältnisse machen den Streckenverlauf und die damit verbundenen Massenausgleiche zwischen Geländeeinschnitten und Dammbauwerken zu einem planerischen Gesamtkunstwerk. Auf dem 35 km langen Baulos von Dijon nach Mulhouse entstanden dabei zahlreiche interessante, weil aufwändige Streckenbauwerke.

A. Durchlass

Eines der Bauwerke ist der tunnelförmige Durchlass bei Cognières. Befremdend ist es, diesen während der frühen Schalungsarbeiten im Sommer 2007 auf flachem Boden zu sehen, während weit und breit sonst keine andere Baustelle zu sehen ist.
Die Bodenfläche des Tunnels liegt exakt auf der gleichen Höhe wie die Geländeoberfläche. Die flache Baugrube, die in den weißen Jura eingetieft war, wurde zunächst mit einer Sauberkeitsschicht aufgefüllt, danach die Bodenplatte errichtet.
Die gesamte Basis ist ein kompliziertes und verwinkeltes Gebilde, das wegen der in den Tunnel vorspringender Vouten ein wenig wie der Unterteil dreier hintereinander gelegter horizontal aufgeschnittener, sechseckiger Röhren aussieht. Die Außenwände, die wie ein stehendes, nach außen weisendes "L" geformt sind, haben zudem Betonschutzblenden zur Eingangsfront hin.

Unmögliches wird möglich

Das bau- und schalungstechnische Ideal, dem man auf der Baustelle immer nachkommen möchte - sofern sich Aufwand und Kosten rentieren - ist, solche Formen monolithisch in einem Arbeitsgang zu fertigen, anstatt einer vielschichtigen Flickerei.

Die bauausführende GTM wählte für diese Tunnelbaustelle den Schalungshersteller PASCHAL und die von diesem entwickelte Schalungslösung. Für komplizierte, kleinstufige Schalungsaufgaben wird dabei die RASTER Universalschalung eingesetzt, die bis auf den Zentimeter exakt schalen kann.



Gurtungen, Stützen und Betonblöcke sicherten die einhäuptige Schalung gegen das Kippen. Nur gegen den auftreibenden Beton in den L-Wänden wurden eine zimmermannstechnische Lösung mit Holzbohlen angewandt. Da jeder einzelne Abschnitt spiegelbildlich aufgebaut ist, wurde die kostengünstige Variante gewählt und jeder in zwei Betoniertakte geteilt. Sobald ein Takt ausgehärtet war, wurde die Schalung mit einem nur für diese Vorgänge herangefahrenen Autokran fix und in großen Einheiten auf den nächsten versetzt.
Der röhrenförmige Deckel wurde mit der radienverstellbaren TRAPEZTRÄGER-Rundschalung (TTR) erstellt, die liegend als Tunnelschalung eingesetzt wurde. Die verwendeten Betonsorten waren C36/46, XC2-XD3 und XF1 S3 und wurden per Betonpumpe eingefüllt.

B. Bachdurchlass

Klein wirkt diese Baustelle gegen jene in der Nachbarschaft: Ein 90,0 m langer Durchlass mit schwachem Gefälle für einen Bachlauf. Gegründet auf einer 94,51 m langen und 6,60 m breiten Bodenplatte liegt darüber ein Tunnel mit 2,45 m im Durchmesser und 45 cm (!) dicken Ortbetonwänden. An der Basis verbreitern sich die Wände mittels einer Voute nach innen, was ihnen zusätzliche Wuchtigkeit verleiht.

Für herkömmliche Schalungsplanungen ist diese Architektur eine Unmöglichkeit, da sich die Schalung so verkanten würde, dass sie nach dem Aushärten des Betons nur durch zerstörerische Gewalt zu entfernen wäre.

Auch hier kam die TTR, die radienverstellbare TRAPEZTRÄGER-Rundschalung zum Einsatz. Die Schalung kam zentimetergenau vorgerundet auf die Baustelle und musste nur noch aufgestellt werden. Als weltweit einziges Produkt dieser Stabilitätsgüte mit 18 mm Schalhaut aus finnischem Birkensperrholz kann sie problemlos und immer wieder, und ohne sich zu verziehen oder Wellen zu bilden, auf einen Radius von 1,00 m heruntergekrümmt werden. Sie lagerte auf einem Gestell aus GASS-Trägern (= Großes Aluminium-Stützensystem), die ihre Vorteile des schnellen Auf- und Abbaus aufgrund ihrer guten Handhabbarkeit gut ausspielen konnten. Ihre Tragkraft von bis zu 140 kN pro Stiel wurde aber bei weitem nicht gebraucht, da ein Schaltakt mit 11,84 m Länge "nur" etwa 3 Tonnen wog.



Die Schalungsplanung sah folgende Kniffe vor:
1. Die "Seiten" der Rundschalung, die die Voutenschalung ausmachten, konnten durch ein Scharnier über die gesamte Länge nach innen geklappt werden. Hierdurch wurde der gesamte Takt aus der Klemme gerettet.
2. Durch systemintegrierte Spindeln konnte die auf der GASS lagernde Schalung einfach, bequem und zentimetergenau abgesenkt werden. Hierdurch löste sie sich vom Beton.
3. Durch systemintegrierte Rollen, die durch Schienen geführt wurden, wurde der gesamte Takt an die gewünschte Position gefahren. Anheben, Seiten ausklappen, sichern, fertig!
Insgesamt wurde diese Prozedur acht Mal vollzogen.

Betonqualität

Die Lebensdauer eines Betonbauwerks hängt auch von der Verarbeitung seiner Armierung ab. Dies gilt umso mehr bei gekrümmten Wänden, da es hier sehr schnell passieren kann, dass bei mangelhafter Ausführung die Betonbedeckung nur noch wenige Millimeter ausmachen kann. Aufwändig und kostenintensiv zu behebende Langzeitschäden können die Folge sein.
In Absprache mit dem Schalungslieferanten wurde ein Konzept mittels einer fahrbaren Sonderschalung konzipiert, entwickelt und erfolgreich eingesetzt, das dem oben beschriebenen Verfahren sehr ähnlich ist. Auf diese Sonderschalung wurde dann die Armierung gelegt und an deren Krümmung angepasst. Als die TRAPEZ heranrückte, wurde die Sonderschalung weitergefahren, und schnell konnte man betonieren.
Dem Bauherrn und der Bauaufsicht gegenüber wurde hiermit die allerhöchste Qualität erreicht.

C. Unterführung

Diese Baustelle wiederum wirkte bescheiden gegen die benachbarte, einer Straßenunterführung.
Der 72,00 m lange Tunnel hat einen Radius von 4,85 m, 40 cm dicke Wände und dynamisch angeschrägte Portale. Er liegt auf einer 120 m langen und 40 m breiten Bodenplatte.
Auch hier wurde die radienverstellbare Trapezträger-Rundschalung für die Rundungen eingesetzt und dasselbe Verfahren wie oben verwendet. Der längste Takt war 12,00 m lang und bestand aus 4 Sätzen 3,00 m hoher Schalungssegmente, die liegend auf fahrbaren GASS-Türmen befestigt waren. Sondereinlagen formten attraktive Muster in das perfekte Betonbild.

Hintergrund

Obwohl die Bauwerke nach der Vollendung sehr attraktiv ausgesehen haben, werden sie inzwischen mit dem Fahrdamm überschüttet.
Nach Angaben der Bauleitung steht die Bevölkerung diesem modernen Verkehrswegeprojekt positiv gegenüber.

Bautafel

  • Objekt: Lignes Grande Vitesse - LGV Est européenne
    (europäische Hochgeschwindigkeitsfahrbahn Richtung Osten)
  • Bauherr: Réseau Ferré de France
    (Staatliches Schienennetz Frankreich)
  • Hauptauftragnehmer und Bauleitung: SNCF-EEG Simecsol, ISL (Ingerop-Thalès-Luxconsult), Tractebel Development Engineering - Coyne & Bellier, Scetauroute und Setec
  • Erdbewegungen: 49 Mio m³ Aushebungen;
    34 Mio. m³ Auffüllungen;
    21 Mio. m³ Ablagen
  • Gesamtzahl Verkehrsbauten: 327; davon
    221 Straßenüberquerungen;
    20 Eisenbahnüberquerungen;
    57 Wasserlaufüberquerungen;
    24 Passagen für Tiere;
    5 unterirdische Abschnitte mit insgesamt 900 m
  • Bauausführung des oben beschriebenen Objektes:
    GTM, F-Les Magny, ein Unternehmen der Vinci-Gruppe
  • Schalung und Schalungsplanung:
    PASCHAL-Werk G. Maier GmbH, D-Steinach
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